Hintergrundinformation zur Pressemitteilung vom 11.01.2007
Umrüstung vogelgefährlicher Strommasten verläuft schleppend
Ein Jahr liegt der tagelange Stromausfall nach Schnee im Münsterland zurück. Erst vor wenigen Wochen fiel in großen Teilen Europas schlagartig der Strom aus. Mit der Stromwirtschaft haben aber auch andere ein massives Problem: Europas wildlebende Vogelarten – vor allem die großen Arten wie Eulen, Greifvögel und Störche. Immer noch sterben vermutlich tausende Vögel an ungesicherten Mittelspannungsmasten durch Stromschlag. Dabei muss diese Gefahr in Deutschland spätestens 2012 gebannt sein. Die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage der EGE belegen:
Energiewirtschaft und Umweltminister messen dem Problem zu wenig Bedeutung bei
An bestimmten Konstruktionen und Seilanordnungen von Mittelspannungsmasten können Vögel durch Berührung spannungsführender Teile Erd- oder Kurzschlüsse verursachen und tödlich verunglücken. Obgleich längst technische Lösungen für die vogelschutzkonforme Konstruktion neuer und das Nachrüsten alter Masten entwickelt wurden, gibt es noch gefährliche Mastkonstruktionen und Seilanordnungen von Mittelspannungsleitungen.
Betroffen sind vor allem große Vögel wie Störche, Reiher, Greifvögel und Eulen. Dies sind häufig solche Arten, die im internationalen Maßstab gesehen zu den ohnehin bedrohten Arten zählen, so dass bereits geringe Verluste den Erhaltungszustand einer Art noch weiter gefährden können.
Der im Jahr 2002 neu in das Bundesnaturschutzgesetz eingefügte § 53 "Vogelschutz an Energiefreileitungen" soll diese Gefahr bis 2012 für alle Vögel beseitigen.
§ 53 Vogelschutz an Energiefreileitungen:
Zum Schutz von Vogelarten sind neu zu errichtende Masten und technische Bauteile von Mittelspannungsleitungen konstruktiv so auszuführen, dass Vögel gegen Stromschlag geschützt sind. An bestehenden Masten und technischen Bauteilen von Mittelspannungsleitungen mit hoher Gefährdung von Vögeln sind innerhalb von zehn Jahren die notwendigen Maßnahmen zur Sicherung gegen Stromschlag durchzuführen. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für die Oberleitungen der Bahn.
Bundesnaturschutzgesetz vom 02. April 2002
Die Verpflichtungen des § 53 BNatSchG sind zwar Sache der Netzbetreiber. Der Staat kann sich aber nicht aus der Sache heraushalten. Die Naturschutzbehörden haben darüber zu wachen und darauf hinzuwirken, dass die Vorschriften des Naturschutzrechts eingehalten werden. Dazu zählt auch § 53 BNatSchG.
Bezogen auf das Problem der Mittelspannungsmasten und der bis 2012 abzuschließenden Nachrüstung sind es insbesondere die Länderumweltminister, welche gegenüber den Netzbetreibern die Lösung des Problems auf Länderebene einfordern und durchsetzen müssen. Dazu zählen Mitarbeit an entsprechenden Aktionsplänen der Netzbetreiber und die notwendigen Erfolgskontrollen.
Jetzt, nach rund der Hälfte der zehnjährigen Nachrüstungsfrist, hat die Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen e. V. die Länderumweltminister nach dem Stand der Umrüstung hochgefährlicher Masten befragt.
Dies sind die mit Schreiben vom 25.05.2006 an die Umweltminister gerichteten Fragen:
- Wie viele vogelgefährliche Masten gibt es in Ihrem Bundesland?
- Welche Vorstellungen haben Sie bzw. Ihre Naturschutzverwaltung entwickelt, um die Nachrüstung aller vogelgefährlichen Masten bis 2012 in ihrem Bundesland abzuschließen?
- Wie ist der Umrüstungsstand in den Europäischen Vogelschutzgebieten, wie in den übrigen Teilen Ihres Bundeslandes?
- Kontrollieren Sie die Einhaltung der Verpflichtungen des § 53 BNatSchG? Wenn ja, auf welche Weise?
Was wissen und tun die Länder?
Hier die wichtigsten Ergebnisse der Befragung:
- Die wenigsten Länder haben auch nur eine annähernde Vorstellung von der Zahl der in ihrem Territorium noch zu entschärfenden Mittelspannungsmasten. Deshalb dürften die meisten Länder kaum über den Stand der Umrüstung im Bilde und insoweit auch nicht hinreichend im Stande sein, den Fortgang der Umrüstung zu beurteilen und wenn nötig auf die Durchsetzung der Pflichten gegenüber der Stromwirtschaft zu drängen. Einige wenige Länder haben sich aufgrund der Befragung um verlässliche Zahlen seitens der Energiewirtschaft bemüht, sie aber nicht in jedem Fall erhalten.
- Den Ergebnissen zufolge muss deutschlandweit noch mit mehr als 350 Tausend gefährlichen Masten gerechnet werden. Dieses Resultat ist besonders unbefriedigend, weil sich die Netzbetreiber bereits Mitte der 80er Jahre zu einer Umrüstung gefährlicher Mittelspannungsmasten selbstverpflichtet hatten.
- Die Bemühungen der Länder um die Durchsetzung der Umrüstungspflichten des § 53 BNatSchG konzentrieren sich bestenfalls auf die EG-Vogelschutzgebiete oder den engeren Umkreis von Brutvorkommen besonders seltener Vogelarten. Dieses ist aber weniger als ein Zehntel des Bundesgebietes. Selbst bezogen auf die Gefahrenlage in diesen Gebieten tappen die meisten Länder buchstäblich im Dunkeln.
- Es steht außer Frage, dass die Beschränkung auf wenige Gebiete unzureichend ist, weil die Aktionsräume der Stromschlag gefährdeten Arten weit über diese Gebiete hinausreichen. Beispiel: Der Rotmilan zählt zu den ziehenden Arten, brütet in nahezu ganz Deutschland, weltweit aber fast nur hier. Insoweit ist für diese Art jeder ungesicherte Mast in Deutschland hoch gefährlich.
- Die Energiewirtschaft beschränkt ihre Bemühungen zu sehr auf die Masten, an denen Vögel verunglückt aufgefunden werden. Erwiesenermaßen werden die meisten Stromopfer mangels Kontrolle gar nicht gefunden, so dass sich die Aktivitäten unter diesen Umständen allenfalls auf eine Spitze des Problemberges beschränken. Die Bemühungen müssen sich insgesamt auf die Mastentypen erstrecken, die generell aufgrund ihrer Konstruktion als hoch gefährlich einzustufen sind.
- Einige Länder scheinen bisher überhaupt keine zielgerichteten Schritte im Hinblick auf die Verpflichtungen des § 53 BNatSchG unternommen zu haben und etwa auf regelmäßige Konsultationen oder den Abschluss konkreter Zielvereinbarungen mit der Stromwirtschaft ganz zu verzichten.
Was ist verlangt?
Gesetzlich geschuldet ist eine systematische Kontrolle und planvolle Vorgehensweise der Netzbetreiber und insofern mehr als eine Umrüstung „auf Zuruf“ im Falle belegter Totfunde. Dabei ist eine vorrangige Umrüstung in EG-Vogelschutzgebieten oder Lebensräumen hochgradig gefährdeter Arten sicherlich vernünftig, sie darf sich aber nicht auf diese beschränken, sondern muss bis 2012 flächendeckend abgeschlossen sein.
EGE und NABU erwarten, dass die Netzbetreiber den gesetzlich normierten Pflichtaufgaben von sich aus nachkommen. Die hier anstehenden Naturschutzaufgaben werden jedoch bisher nicht genügend ernst genommen. Umso mehr kommt es auf eine wirkungsvolle Kontrolle der Vorschriften an. Dazu scheinen viele Länder bisher weder willens noch in der Lage zu sein und sich stattdessen auf das bloße Entgegennehmen von Meldungen über Stromopfer und die Weitergabe an die Stromwirtschaft zu beschränken.
Die ausführlichen Ergebnisse der Befragung der Länder zum Stand der Umrüstung vogelgefährlicher Masten finden Sie unter www.ege-eulen.de und www.nabu.de/vogelschutz/.
Ihre Ansprechpartner:
Für Rückfragen:
Stefan Brücher
EGE – Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen e.V.
Tel. 02257 / 3279 oder 0160 / 4220790
Dr. Markus Nipkow
NABU – Naturschutzbund Deutschland
Tel. 0228 / 4036-15